Am 9. Juli hat das Bundeskriminalamt das Korruptions-Bundeslagebild 2017 veröffentlicht (s. Bundeslagebild Korruption 2017). Im Bundeslagebild wird der Rückgang von Korruptionsstraftaten um 25% im Vergleich zum Vorjahr als Erfolg gewertet. Dieser Erfolg wird u.a. auf das Wirken von Compliance-Maßnahmen zurückgeführt. 

Dazu möchten wir im Folgenden Stellung nehmen: Bevor man überhaupt von einem Rückgang von Korruption und einem Erfolg von Compliance-Maßnahmen sprechen kann, wäre zunächst zu prüfen, ob der Rückgang 2017 sich nicht auch rein statistisch erklären lässt. Große Ermittlungskomplexe mit vielen Verfahren führen immer wieder zu gravierenden statistischen Abweichungen. Das Bundeslagebild gibt zum Beispiel für das Jahr 2014 eine überdurchschnittlich hohe Zahl von Korruptionsstraftaten an aufgrund von zwei Ermittlungskomplexen mit vielen Ermittlungsverfahren. Im Folgejahr 2015 reduzierte sich die Zahl der Delikte darum um mehr als die Hälfte. Einen entsprechenden Hinweis gibt das Bundeslagebild selbst (Seite 6 und 7), wo Ermittlungskomplexe mit hohen Verfahrenszahlen im Jahr 2016 genannt werden. Es ist darum fraglich, ob man anhand eines direkten Vergleichs der Jahre 2016 und 2017 einen Rückgang von Korruptionsstraftaten feststellen sollte.

Der festgestellte Rückgang um 25% bezieht sich außerdem ausschließlich auf die im Strafrecht definierten Korruptionsstraftaten Bestechung, Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung. Viele der Korruption zuzurechnenden Delikte fallen damit aus der Statistik. Einige dieser Delikte nennt das BKA „Begleitdelikte“, wie u.a. Betrugs- und Untreuehandlungen, Urkundenfälschung, wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen, Strafvereitelung, Falschbeurkundung im Amt, Verletzung des Dienstgeheimnisses und Verstöße gegen strafrechtliche Nebengesetze. Die Zahl dieser sogenannten Begleitdelikte ist im Vergleich zum Vorjahr gestiegen um ca. ein Drittel. Ganz unter den Tisch fallen Korruptionsformen, die strafrechtlich kaum zu verfolgen sind, weil sie entweder überhaupt nicht verboten oder nicht zu beweisen sind, wie beispielsweise Ämterpatronage, Nepotismus oder fragwürdige Spenden- und Sponsoringpraktiken.

Mit der Ausklammerung dieser und anderer Deliktformen wird Korruption klein gerechnet und die Situation beschönigt. Dass die Situation sich mitnichten verbessert hat, sieht man auch daran, dass die Schadenssumme durch Korruption auf 291 Millionen Euro gestiegen ist. Etliche Korruptionsforscher schätzen ferner, dass überhaupt nur 1% aller Korruptionsstraftaten aufgedeckt wird. Die tatsächlichen Deliktzahlen, im Bundeslagebild nur Dunkelfeld genannt, sind also um ein Vielfaches höher, ebenso die Schadenssumme.

Der im Bundeslagebild nichtsdestotrotz konstatierte Rückgang von Korruptionsstraftaten wird u.a. auf das Wirken von Compliance-Maßnahmen zurückgeführt, ohne dafür irgendwelche Belege anzuführen. Dazu ist festzustellen, dass Compliance-Maßnahmen erwiesenermaßen nur unter bestimmten Voraussetzungen überhaupt Wirkung entfalten (beispielsweise gibt es bei allen Automobilkonzernen große Compliance-Abteilungen. Was das gebracht hat, sehen wir aktuell am Diesel-Skandal). In der Berliner Verwaltung gibt es im übrigen gar kein umfassendes Compliance-Konzept. Maßnahmen, die einem Compliance-Konzept zuzuordnen wären gibt es nur vereinzelt, und ihre Wirkung ist bestenfalls punktuell (z. B. Richtlinien für die Annahme von Geschenken).

Ein Zusammenhang von Compliance-Maßnahmen und dem im Bundeslagebild konstatierten Rückgang von Korruptionsstraftaten ist also nicht belegbar. Genauso gut könnte der Rückgang von Korruptionsstraftaten daran liegen, dass die Korruptionsbekämpfung schlechter funktioniert und darum weniger aufgedeckt wird.

Immerhin, obgleich das Bundeslagebild viele relevante Informationen weglässt, kann man doch einige interessante Details herauslesen: So ist 2017 der Anteil der Leitungs- und Führungskräfte bei Korruptionsdelikten um rund 15% gestiegen. Auch in den Vorjahren war der Anteil der Leitungs- und Führungskräfte konstant hoch (ca. ein Drittel). Wichtig zu wissen in diesem Kontext: Die Aufsicht über die Korruptionsbekämpfung obliegt meist genau diesen Leitungen. Die Leitungen selbst werden dagegen von niemandem kontrolliert. In Anbetracht der jährlich nachgewiesenen Korruptionsanfälligkeit von Leitungspositionen ist das grotesk.

Die öffentliche Verwaltung ist nach wie vor rund dreimal so anfällig für Korruption wie Unternehmen (Wirtschaft). Es ist davon auszugehen, dass in Unternehmen mehr und besser kontrolliert wird. Dass in der Verwaltung nicht vergleichbare Kontrollsysteme eingeführt werden, ist nicht nachzuvollziehen.

Der größte Anteil der Korruptionsdelikte drehte sich 2017 wie in den Vorjahren um das Erlangen von öffentlichen Aufträgen. Dennoch fehlt es hier in der Verwaltung immer noch an Transparenz und Kontrolle.

Die große Mehrzahl der Korruptionsdelikte wurde aufgedeckt aufgrund von Hinweisen (anonym und nichtanonym, von externen und internen Hinweisgebern). Hinweisgeber sind damit das wichtigste Mittel der Korruptionsbekämpfung. Doch anstatt das Hinweisgeben zu fördern, wird es Hinweisgebern nach wie vor schwer gemacht.

Dass die wenigen Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung überwiegend Hinweisgebern zu verdanken sind, belegt im Übrigen das totale Versagen aller anderen Maßnahmen der Korruptionsbekämpfung. Würde die staatliche Korruptionsbekämpfung wirken, bräuchte es gar keine Hinweisgeber.

Transparency International Deutschland hat das Bundeslagebild in einer Meldung vom 11.7.18 ebenfalls kommentiert (Stellungnahme Transparency International).

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