10.12.21. Lottospielen wird im Volksmund auch abfällig „Deppensteuer“ genannt. Dieser Begriff ist womöglich passender, als manch Lottospieler ahnt. Denn die wenigsten Lottospieler wissen, dass sie mit ihrem Los immer auch parteinahe Stiftungen unterstützen, wie beispielsweise die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung oder die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung.

Das funktioniert so: Das Land Berlin bekommt jährlich einen festen Anteil der Einnahmen der Deutschen Klassenlotterie Berlin. Diese Lottomittel fließen in den Landeshaushalt der Stadt Berlin. Dort werden sie zur Förderung von Sport und Jugendarbeit verwendet. Aber 20% der Lottoeinnahmen fließen am Berliner Landeshaushalt vorbei in das Vermögen der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin. Die Lottostiftung verteilt ihren Anteil der Lottogelder an antragstellende gemeinnützige Projekte für Soziales, Kunst, Kultur und Sport, aber auch an sogenannte „staatsbürgerliche Projekte“ oder Projekte der „politischen Bildungsarbeit“.

Genau 2,5 Millionen Euro jährlich fließen seit Jahrzehnten über die Lottostiftung an die parteinahen Stiftungen für „staatsbürgerliche Projekte“. Diese 2,5 Millionen Euro werden nach einem festgelegten Schlüssel an die parteinahen Stiftungen verteilt. Der Verteilungsschlüssel orientiert sich am Anteil der Wählerstimmen der Parteien im Abgeordnetenhaus (ausgenommen die AfD, die bis 2017 noch keine parteinahe Stiftung hatte). In der letzten Legislaturperiode flossen so jährlich an die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung 632.500,00 €, an die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung 820.000,00 €, an die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung 165.000,00 €, an das Grünen-nahe Bildungswerk Berlin der Heinrich-Böll-Stiftung 467.500,00 € und an die Linken-nahe Helle Panke e.V./Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin 415.000,00 €. Trotzt des festgelegten Schlüssels, der turnusmäßigen Zahlung und den immer gleichen Summen handelt es sich bei den Förderungen offiziell nicht um institutionelle Förderungen, sondern um sogenannte „Projektförderungen“, also abgegrenzte Vorhaben der Stiftungen, für welche die Stiftungen einmal im Jahr einen Projektantrag bei der Lottostiftung stellen. Es ist noch nie vorgekommen, dass ein Projektantrag einer parteinahen Stiftung abgelehnt worden ist. Von 2006 bis 2021 sind auf diese Weise 40 Millionen Euro in die Kassen der parteinahen Stiftungen geflossen.

Über die Vergabe der Lottogelder entscheidet ein Stiftungsrat. In diesem Gremium sitzen gewählte und bestellte Vertreter der Fraktionen der Parteien im Abgeordnetenhaus (zurzeit Vertreter von SPD, Linke, Grüne und CDU). Der Stiftungsrat ist nur dem Abgeordnetenhaus rechenschaftspflichtig. Er holt für die Entscheidung über Projektanträge fachliche Stellungnahmen der Senatsverwaltung ein. Alle Vierteljahre werden dem Abgeordnetenhaus Listen der geförderten Projekte zur Kenntnisnahme vorgelegt. Diese Listen werden danach als Drucksache auf der Webseite des Abgeordnetenhauses veröffentlicht. Fachliche Begründungen für Förderentscheidungen werden ebenso wenig dokumentiert oder veröffentlicht wie eine Liste der Projekte, bei denen eine Förderung abgelehnt wurde.

Dass Parteifunktionäre ihren parteinahen Stiftungen in einem intransparenten Verfahren Gelder zukommen lassen, die offiziell gemeinnützige Projekte in Berlin fördern sollten, hat mehr als nur ein Geschmäckle. In der Korruptionsforschung wurden für Strukturen dieser Art die Begriffe „Legalkorruption“ und „institutionalisierte Korruption“ geprägt. Der Volksmund würde es wohl „Selbstbedienung“ nennen. Kürzlich hat übrigens der Bundesrechnungshof die unangemessen üppigen Gehälter des Führungspersonals der parteinahen Stiftungen scharf kritisiert.

Es gibt in Berlin viele gemeinnützige Projekte, die sich über eine Förderung von 2,5 Millionen Euro im Jahr freuen würden. Es ist an der Zeit, diese Praxis der Subventionierung der parteinahen Stiftungen über die Lottostiftung zu beenden. Ob sich im Abgeordnetenhaus eine Mehrheit für die Beendigung finden wird, ist allerdings fraglich. Realistischer ist vermutlich, dass zukünftig auch die AfD mit ihrer neuen parteinahen Desiderius-Erasmus-Stiftung von der „Deppensteuer“ profitieren wird.

Quellen:

 

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